Eisen und Infektionen
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Matthew Messer

Matthew Messer

Chefredakteur

Welche Gefahren birgt die Einnahme von Eisenpräparaten?

Eisen ist ein essenzieller Mikronährstoff für alle Lebewesen. Bei Infektionskrankheiten benötigen sowohl die Krankheitserreger als auch unsere eigenen Immunzellen Eisen, um sich zu vermehren und ihre Funktionen auszuführen. Die Blockierung des Eisens vor Mikroorganismen ist eine wirksame Strategie zur Verteidigung unseres Körpers, aber auch die Krankheitserreger wissen sich zu helfen: Im Laufe der Jahrmillionen haben sie zahllose Mechanismen entwickelt, um sich Zugang zu den Eisenspeichern des Körpers zu verschaffen, und diese Fähigkeit bestimmt maßgebend die Wirksamkeit ihrer Infektion. Im Körper findet also ein ständiger Kampf um diesen wertvollen Mikronährstoff statt, und der Ausgang dieses Kampfes ist mitentscheidend dafür, wie lange eine Krankheit andauert.

Eisenentzug als wichtiger Abwehrmechanismus des Immunsystems

Um zu verhindern, dass Krankheitserreger unseren Körper erobern, sorgt der Eisenstoffwechsel im Vorfeld dafür, dass der größte Teil des gespeicherten Eisens an einem Ort gelagert wird, wo Mikroorganismen es nur schwer erreichen können.(1)

Hämoglobin und Transferrin

Der größte Teil des Eisens im Körper befindet sich innerhalb unserer Zellen, im Hämoglobin, aber bestimmte Krankheitserreger haben die Fähigkeit entwickelt, Eisen daraus zu extrahieren.(2,3) Dazu müssen sie mit den körpereigenen Proteinen konkurrieren, die das Eisen schnell auffinden und wiederverwerten. Interessanterweise gewinnen wir den Großteil unseres Eisenbedarfs aus wiederverwertetem Hämoglobin,und nicht aus der Nahrung.(4)

Ein weiterer Faktor, der die Verfügbarkeit von Eisen für eindringende Krankheitserreger einschränkt, ist der Mangel an freiem extrazellulärem Eisen. Das extrazelluläre Eisen wird durch Transferrin gebunden, das bei gesunden Menschen normalerweise zu weniger als 50 % mit Eisen gesättigt ist.

Ferritin und Hepcidin

Der menschliche Körper speichert auch eine beträchtliche Menge Eisen in den Zellen in Form von Ferritin, dessen Spiegel bei Infektionen und Entzündungen deutlich erhöht sind.

Bei Infektionen wird die Eisenspeicherung durch eine Substanz namens Hepcidin erhöht.(1) Sie wird von der Leber und sogar von den Immunzellen selbst produziert, um das für Krankheitserreger verfügbare Eisen bei Infektionen oder anderen Entzündungen weiter zu reduzieren und zu verhindern, dass die durch die Entzündung erhöhte oxidative Belastung viel Schaden im Gewebe anrichtet. Der Eisenspiegel ist hierfür nämlich ein entscheidender Faktor, was erklärt, warum zu viel Eisen bei verschiedenen chronischen Krankheiten so schädlich ist. (5,6)

Laktoferrin

Das in der Muttermilch enthaltene Laktoferrin, das sich gegen Bakterien, Viren und sogar Pilzinfektionen als wirksam erwiesen hat (7,8), bindet freies Eisen mit ähnlicher Effizienz wie Transferrin und entzieht es den Mikroorganismen.(1) Die Schleimhaut, die Schutzschicht des Körpers gegen die Umwelt, enthält es daher in hoher Konzentration, es wird aber auch von den Immunzellen selbst lokal, also am Ort der Infektionen und Entzündungen produziert.

Die menschliche Vormilch, das Kolostrum enthält 7 g Lactoferrin pro Liter, das für die gesunde Entwicklung der Darmflora von Säuglingen und zur Verhinderung der Vermehrung von Krankheitserregern notwendig ist.(9)

Wie wirksam Lactoferrin tatsächlich ist, wird durch eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse veranschaulicht, die zeigt, dass die Supplementierung von Lactoferrin die Häufigkeit von Infektionen der oberen Atemwege um fast die Hälfte reduzierte.(10)

Darüber hinaus wurden mittlerweile zahlreiche weitere Substanzen entdeckt, die ebenfalls eine wichtige Rolle im Kampf um das Eisen spielen, deren biochemische Prozesse hier jedoch nicht erörtert werden sollen. Wichtig ist, dass im Falle von Infektionen der durch den Wirtorganismus gesteuerte Eisenentzug das Wachstum von Krankheitserregern hemmt, was eine wichtige Komponente unserer natürlichen Immunität ist. Leider entzieht eine chronische Immunaktivierung aufgrund langwieriger chronischer Infektionen, Autoimmunerkrankungen oder bösartiger Tumorerkrankungen nicht nur den Pathogenen, den Autoimmunität auslösenden Lymphozyten und Tumorzellen Eisen, sondern auch unseren eigenen gesunden Zellen.(11) Dies kann mit der Zeit zu Anämie führen, die bei vielen chronischen Entzündungskrankheiten entsteht.

Eisenpräparate können alles verschlimmern

Daraus folgt, dass eine Eisenergänzung allein in vielen Fällen keine gute Lösung ist, selbst wenn unsere Blutwerte einen leichten Eisenmangel anzeigen, da dieser möglicherweise vom natürlichen Abwehrmechanismus verursacht ist und eine Eisenergänzung würde die Ergebnisse dieses Mechanismus neutralisieren.

Das ist nicht nur eine Theorie, sondern wird durch Humanstudien gestützt, die zeigen, dass eine orale Eisensupplementierung das Risiko verschiedener Infektionen erhöht und ihen Verlauf verschlimmert.(12,13) Im Gegensatz dazu hat sich ein leichter Eisenmangel als schützend erwiesen.(14) Eine Eisensupplementierung wurde vor allem bei Malaria untersucht, hat sich aber auch bei bakteriellen und viralen Infektionen als nachteilig erwiesen.(15,16)

In einer 2021 veröffentlichten Metaanalyse wurde festgestellt, dass eine intravenöse Eisensupplementierung ebenfalls das Infektionsrisiko erhöhte, und in vielen Studien wurde sie mit oral eingenommenem Eisen statt mit Placebo verglichen.(17)

Das bedeutet natürlich nicht, dass eine Eisensupplementierung niemals empfohlen wäre, denn sie ist in einigen Fällen gerechtfertigt und kann sogar lebensrettend sein, aber man sollte vorsichtig damit umgehen und sie nur dann anwenden, wenn es sicher keine andere wirksame Lösung gibt.

In den beiden anderen Artikeln über Eisen habe ich eine Reihe von Ernährungsstrategien (bzw. die Lactoferrin-Supplementierung) erwähnt, die in vielerlei Hinsicht sicherer und sogar wirksamer als die herkömmliche Eisensupplementierung sein können. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es Wochen/Monate dauern kann, bis die Eisenspeicher auf diese Weise wieder aufgefüllt sind. Man sollte also keine signifikante Verbesserung nach wenigen Tagen erwarten, sondern die Werte regelmäßig überprüfen.

Es lohnt sich auch deswegen, diese zuerst auszuprobieren, denn die Einnahme von Eisenpräparaten kann viele Nebenwirkungen haben, wie z. B. unangenehme Verdauungsbeschwerden,(18) und ist auch nicht immer wirksam.

Es ist auch wichtig, daran zu denken, dass Eisenmangel nicht die einzige mögliche Ursache für Anämie ist, sondern auch eine Reihe anderer Nährstoffmängel oder Gesundheitsprobleme dazu führen können. Dennoch nehmen viele Menschen sofort Eisen ein, wodurch aber keine Besserung eintritt. 

Eisenmangel selbst kann beispielsweise auch durch einen Vitamin-B2-Mangel verursacht werden,(19) was ebenfalls untersucht werden sollte, vor allem, wenn eine höhere Eisenzufuhr keine Verbesserung der Werte bewirkt.

Zusammenfassung

Für die Erhaltung der Gesundheit ist eine ausreichende Eisenzufuhr wichtig. Bevor man jedoch sofort zu Eisenpräparaten greift, sollte sichergestellt werden, dass der Mangel nicht durch eine Infektion verursacht wird. Erstmal sollte eine sicherere Alternative ausprobiert werden, denn eine übermäßige Eisenergänzung kann großen Schaden anrichten, da sie das empfindliche Gleichgewicht stört, mit dem das Immunsystem gegen Krankheitserreger kämpft.

Wer genetisch dazu neigt, Eisen anzusammeln, sollte regelmäßig Blut spenden, da sonst die Probleme durch überschüssiges Eisen ebenfalls auftreten können.

  1. Cassat JE, Skaar EP. Iron in infection and immunity. Cell Host Microbe. 2013 May 15;13(5):509-519. doi: 10.1016/j.chom.2013.04.010. PMID: 23684303; PMCID: PMC3676888.
  2. David Haschka, Alexander Hoffmann, Günter Weiss, Iron in immune cell function and host defense, Seminars in Cell & Developmental Biology, Volume 115, 2021, Pages 27-36, ISSN 1084-9521, doi.org/10.1016/j.semcdb.2020.12.005.
  3. Manfred Nairz, Günter Weiss, Iron in infection and immunity, Molecular Aspects of Medicine, Volume 75, 2020, 100864, ISSN 0098-2997, doi.org/10.1016/j.mam.2020.100864.
  4. Slusarczyk P, Mleczko-Sanecka K. The Multiple Facets of Iron Recycling. Genes (Basel). 2021 Aug 30;12(9):1364. doi: 10.3390/genes12091364. PMID: 34573346; PMCID: PMC8469827.
  5. Mancardi D, Mezzanotte M, Arrigo E, Barinotti A, Roetto A. Iron Overload, Oxidative Stress, and Ferroptosis in the Failing Heart and Liver. Antioxidants (Basel). 2021 Nov 24;10(12):1864. doi: 10.3390/antiox10121864. PMID: 34942967; PMCID: PMC8698778.
  6. Kawabata T. Iron-Induced Oxidative Stress in Human Diseases. Cells. 2022 Jul 8;11(14):2152. doi: 10.3390/cells11142152. PMID: 35883594; PMCID: PMC9324531.
  7. Kowalczyk P, Kaczyńska K, Kleczkowska P, Bukowska-Ośko I, Kramkowski K, Sulejczak D. The Lactoferrin Phenomenon-A Miracle Molecule. Molecules. 2022 May 4;27(9):2941. doi: 10.3390/molecules27092941. PMID: 35566292; PMCID: PMC9104648.
  8. Dierick M, Vanrompay D, Devriendt B, Cox E. Lactoferrin, a versatile natural antimicrobial glycoprotein that modulates the host's innate immunity. Biochem Cell Biol. 2021 Feb;99(1):61-65. doi: 10.1139/bcb-2020-0080. Epub 2020 Jun 25. PMID: 32585120.
  9. Lönnerdal B. Infant formula and infant nutrition: bioactive proteins of human milk and implications for composition of infant formulas. Am J Clin Nutr. 2014 Mar;99(3):712S-7S. doi: 10.3945/ajcn.113.071993. Epub 2014 Jan 22. PMID: 24452231.
  10. Ali AS, Hasan SS, Kow CS, Merchant HA. Lactoferrin reduces the risk of respiratory tract infections: A meta-analysis of randomized controlled trials. Clin Nutr ESPEN. 2021 Oct;45:26-32. doi: 10.1016/j.clnesp.2021.08.019. Epub 2021 Sep 3. PMID: 34620326.
  11. Marques O, Weiss G, Muckenthaler MU. The role of iron in chronic inflammatory diseases: from mechanisms to treatment options in anemia of inflammation. Blood. 2022 Nov 10;140(19):2011-2023. doi: 10.1182/blood.2021013472. PMID: 35994752.
  12. Sazawal S, Black RE, Ramsan M, Chwaya HM, Stoltzfus RJ, Dutta A, Dhingra U, Kabole I, Deb S, Othman MK, Kabole FM. Effects of routine prophylactic supplementation with iron and folic acid on admission to hospital and mortality in preschool children in a high malaria transmission setting: community-based, randomised, placebo-controlled trial. Lancet. 2006 Jan 14;367(9505):133-43. doi: 10.1016/S0140-6736(06)67962-2. Erratum in: Lancet. 2006 Jan 28;367(9507):302. PMID: 16413877.
  13. Oppenheimer SJ. Iron and its relation to immunity and infectious disease. J Nutr. 2001 Feb;131(2S-2):616S-633S; discussion 633S-635S. doi: 10.1093/jn/131.2.616S. PMID: 11160594.
  14. Nyakeriga AM, Troye-Blomberg M, Dorfman JR, Alexander ND, Bäck R, Kortok M, Chemtai AK, Marsh K, Williams TN. Iron deficiency and malaria among children living on the coast of Kenya. J Infect Dis. 2004 Aug 1;190(3):439-47. doi: 10.1086/422331. Epub 2004 Jul 2. PMID: 15243915.
  15. Menshawey, R., Menshawey, E., Alserr, A.H. et al. Low iron mitigates viral survival: insights from evolution, genetics, and pandemics—a review of current hypothesis. Egypt J Med Hum Genet 21, 75 (2020). https://doi.org/10.1186/s43042-020-00114-z
  16. Agoro R, Mura C. Iron Supplementation Therapy, A Friend and Foe of Mycobacterial Infections? Pharmaceuticals. 2019; 12(2):75. https://doi.org/10.3390/ph12020075
  17. Shah AA, Donovan K, Seeley C, et al. Risk of Infection Associated With Administration of Intravenous Iron: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Netw Open. 2021;4(11):e2133935. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.33935
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  19. Mahabadi N, Bhusal A, Banks SW. Riboflavin Deficiency. [Updated 2022 Jul 18]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 Jan-. 

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